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Kritnet-Tagung: Infrapolitische Re-Konfigurationen des europäischen Grenzregimes
24.-26.04.2020, Göttingen
Vier Jahre ist es nun her, dass hunderttausende Menschen es schafften, die Grenzen Europas zu überwinden. Die Folgen des 2015 ausgerufene Krisenzustands haben sich längst verfestigt. Durch eine Vielzahl von Adhoc-Aktionen hat sich eine „infra-politische Landschaft“ (Karakayali 2019) etabliert. Sie umfasst Infrastrukturen des Rassismus, mediale Diskurse und rechtliche Rahmenbedingungen, ebenso wie die Entwicklung neuer Praktiken der Kontrolle und Verwaltung von Migrationsbewegungen, das Aufkommen einer neuen wissenschaftlichen, kulturellen und sozialen Förderlandschaft, die Veränderung des zivilgesellschaftlichen Sektors, aber auch die Entwicklung neuer Routinen und Praktiken des Widerstandes gegen die erneuten Einhegungsversuche.
Vier Jahre nach dem langen Sommer der Migration haben sich einige der Infrastrukturen aufgelöst und sind brüchig geworden oder wurden erst durch ihr Zusammenbrechen sichtbar. Andere sind zur Alltagspraxis im Regieren von Migration und im Widerstand geworden. Der Blick auf diese infrastrukturellen Veränderungen und Konstanten ermöglicht es, ein komplexes Bild des gegenwärtigen europäischen Grenzregimes zu zeichnen. Die Konferenz soll jene Infrastrukturprozesse in Blick nehmen, die sowohl Bedingungen für Regierungshandeln, als auch für widerständige Praktiken im post-2015 Grenzregime bilden.
Call for Participation
Wir wollen in Vorträgen, Panels, Workshops und anderen Formaten diese veralltäglichten Infrastrukturen wieder sichtbar machen und die Konkurrenz unterschiedlicher sozialer Logiken in diesen Prozessen diskutieren.
Dazu suchen wir Einzelpersonen/Gruppen, Kritnet-Themenknoten, die zu den genannten Themenkomplexen Slots organisieren. Dafür bitten wir um eine Kurzbeschreibung der inhaltlichen Ausrichtung, der geplanten Referent_innen und der damit verbundenen Kosten. Einreichungen bitte bis zum 31.01.2020 an svenja@schurade.com.
Infrastrukturen/Infra-Politiken der Migration
Unter Infrastrukturen verstehen wir die verwobenen materiellen und immateriellen Strukturen, die Migrationsbewegungen auf eine jeweils historisch spezifische Art und Weise ermöglichen. Infrastrukturen produzieren so die Grundlagen für spezifische Operationslogiken im Feld der Migration (Xian & Lindquist 2014) und biopolitischen Regierens. Der Begriff der Infrastruktur ermöglicht es, unter einer spezifischen Perspektive eine ganze Bandbreite an Praktiken, Objekten, Akteur_innen und Techniken miteinander ins Verhältnis zu setzen und sichtbar zu machen, wie, unter der Ägide spezifischer Routinen, Formen von (Im-)Mobilität und spezifische Ein- und Ausschlüsse normalisiert werden. Wir möchten durch den Fokus auf Infra-Politiken das Politische in diesen Strukturen in den Blick nehmen und Praktiken der politischen Aushandlung und Kämpfe, der Nutzung, Aneignung und Bekämpfung von Infrastrukturen sichtbar machen.
Infrastrukturen im Grenzregime verstehen wir als kontinuierliche Koordinations- und Netzwerkarbeit, die als verstetigte Architektur des Grenzregimes erscheint – als „harte“ (Straßen, Grenzzäune, Routen, Datenbanken etc.) wie auch „weiche“ (Menschen, Dienstleistungen, Kategoriensysteme, Rassismus etc.) Strukturen. Infrastrukturen lassen sich
so als materialisiertes, verfestigtes Setting verstehen, in dem Kämpfe der Migration mit unterschiedlichen Rationalitäten ausgetragen werden. Technologien, Institutionen und Akteur_innen werden durch sie miteinander verbunden und so Mobilität in der Folge in spezifischen Ausformungen ermöglicht oder verhindert (Lindquist und Xiang 2014).
Infra-politische Konfigurationen des europäischen Grenzregimes
Das Konzept der Infrastruktur gibt uns die Möglichkeit mit der soziomateriellen Linse auf eine Reihe von Feldern im Grenzregime zu blicken und diese zu verknüpfen. Daran anschließend suchen wir Beiträge zu verschiedenen Themenkomplexen und regen dazu an, Fragen von Gender, Postkolonialismus und ökonomischer Ungleichheiten dazu querzudenken. Themenfelder umfassen bspw.:
- - (Im-)Mobilität im Grenzregime: Welche Rolle spielt „viapolitics“ (Walters 2015) im gegenwärtigen europäischen Grenzregime in Bezug auf Materialitäten wie Transportmittel und Routen?
- Campization, Versorgung & Unterbringung: Welche Infrastrukturen und Rationalitäten haben sich herausgebildet, welche Rolle spielt die zunehmende Ausweitung von Lagern und Gefängnissen?
- Nekropolitische Arrangements an den (Außen)grenzen: Welche infrastrukturellen Konfigurationen und Netzwerke entstehen an den Außengrenzen, welche Routinen haben sich eingestellt? Welche Formen infrastruktureller Gewalt werden ausgeübt?
- Humanitaristischer Nexus: Welche Verknüpfungen von Humanitarismus, Inhaftierung, Polizei, Militär etc. haben sich herausgebildet? Welche Rolle spielen Kategoriensysteme wie Vulnerabilität?
- Rassismus: Welche Infrastrukturen des Rassismus haben sich gebildet und verfestigt? Welches Biowissen und welche Techniken legitimieren rassistische Bevölkerungs- Kontrollpraktiken (Bsp. DNA-Analysen etc.)?
- Infrastrukturen des Rechtsradikalismus: Welche rechtsradikalen Netzwerke bestehen, haben sich neu gebildet und werden sichtbar?
- Digital Borders: Welche Infrastrukturen der Überwachung und Counter-Surveillance werden wie von wem genutzt? Welche Verwaltungsinfrastrukturen haben sich herausgebildet?
- Counter-Infrastrukturen der Solidarität: Welche Counter-Infrastrukturen entstanden, wurden kriminalisiert, brachen zusammen? Welche Strukturen antirassistischer Aktionen werden gebildet? Welche neuen Plattformen und transnationale Zusammenschlüsse entstanden?
- Bildung, Wissenschaft und Kultur: Welche Förderinfrastrukturen haben sich für Kultur- und politische Projekte und Forschung herausgebildet oder wurden wieder aufgelöst? Welche Projekte sind daraus entstanden?
- Migration und Arbeit: Welche Ordnungen, Logistiken und Rationalitäten lassen sich in den Infrastrukturen der Arbeitsmarktintegration finden?
- Willkommenskultur: Wie gestalten sich Infrastrukturen des ehrenamtlichen Engagements und die Flüchtlingsunterstützung nach ihrem ‚Hype‘ aus?
Veranstaltungsort
GöttingenDeutschland
Koordinaten (Lat, Long):
51.541279, 9.915803
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Hinweise
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