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"Stadt, Land, Protest: kommunale Dynamiken gesamtgesellschaftlicher Bewegungen"

Digitaler Fachtag des K3B - Kompetenzzentrum Kommunale Konfliktberatung des VFB Salzwedel e.V.

Dienstag, 25. Juni 2024, 9:00 - 13:15 Uhr (über Zoom)

Zur Anmeldung »

Gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Transformationsprozesse stellen Kommunen in Deutschland vor die Herausforderung, die unterschiedlichen Interessen ihrer Bürger*innen auszuhandeln und miteinander in Einklang zu bringen. Insbesondere Anfang des Jahres 2024 wurden Konflikte in Deutschland vor allem in Form von öffentlichem Protest auf die Straße getragen. Je nach Lesart sind diese Proteste Symbol für eine Krise unserer repräsentativen Demokratie oder Ausdruck eines gestiegenen politischen Gestaltungsanspruch seiner Bürger*innen. Aus Perspektive der Konfliktbearbeitung haben Proteste vor allem eine Funktion: sie machen Konflikt sichtbar und bieten somit auch eine Chance, sie zu bearbeiten. Gemeinsam möchten wir beim digitalen Fachtag „Stadt, Land, Protest: kommunale Dynamiken gesamtgesellschaftlicher Bewegungen“ des K3B – Kompetenzzentrum Kommunale Konfliktberatung des VFB Salzwedel e.V. am 25. Juni 2024 diskutieren, wie sich gesamtgesellschaftlich begründete Proteste auf kommunales Konfliktgeschehen auswirken. Welche Dynamiken und Konfliktpotenziale werden beobachtet, (wie) werden bestehende Konflikte durch neue Proteste beeinflusst, welche Konflikte entstehen durch diese und wie können Kommunen mit Protesten umgehen? In acht spannenden Diskussionsforen werden einzelne Phänomene im Themenfeld „Protest“ aus kommunaler, praktischer und wissenschaftlicher Perspektive beleuchtet.

Die Veranstaltung richtet sich an Interessierte und Fachpublikum: Akteure aus Kommunen und Zivilgesellschaft, Wissenschaftler*innen, Netzwerkpartner*innen auf Landes- und Bundesebene und Akteure der Konfliktbearbeitung. Der digitale Fachtag will die Teilnehmenden durch Impulse zum Austausch von Erfahrungen, Analysen und Handlungsoptionen dazu einladen, ihre Perspektiven auf das Thema einzubringen und gemeinsam zu diskutieren.

Wir bitten um Anmeldung bis zum 06. Juni 2024. Die Teilnahme ist kostenlos.

Die Veranstaltung findet über die Plattform Zoom statt. Die Einwahldaten werden Ihnen rechtzeitig vor der Veranstaltung per E-Mail zugesandt.

Alle Informationen zum Programm, inklusive einer Beschreibung der Diskussionsforen finden Sie unten auf dieser Seite. Für Rückfragen steht Ihnen Antonia Mohr (mohr.konfliktberatung@vfb-saw.de) gerne zur Verfügung.

Wir freuen uns auf eine gelungene Veranstaltung!


Programm

Moderation des Fachtags: Eva Pertzborn (K3B) und Kathrin Buddendieck (K3B)

09:00     Eröffnung

               Grußwort: Dr. Ulrike Gatzemeier, Leitung K3B

09:15     Keynote Vortrag und anschließende Diskussion mit den Teilnehmenden

Sabrina Zajak, Leiterin der Abteilung Konsens & Konflikt am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, sowie Gründungsmitglied des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung

10:15     Diskussionsforen: Runde 1

Forum 1: Wenn Protest eskaliert: Umgang mit Bedrohungen gegen Mandatsträger*innen, Markus Nierth, ehemaliger Bürgermeister in Tröglitz

Forum 2: Lokale Proteste und ihre Anbindung an emotionale Dispositionen in der Stadtgesellschaft, Maria Budnik, Christoph Hedtke, Katrin Großmann und Alexander Krahmer, Fachhochschule Erfurt

Forum 3: Gute Bauern, böse Bauern? Polarisierung und Protest in der Landwirtschaft, Julia Bar-Tal, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V.

Forum 4: Jenseits der Metropolen: Queerer Protest im ländlichen Raum, Eric Stehr, Stadtrat in Weißenfels

11:15     Pause

11:30     Diskussionsforen: Runde 2

Forum 5: Zum Verhältnis von sozialen Bewegungen und Kommunalpolitik: Zwischen Kooperation und Konflikt, Anne Klingenmeier, ehemalige Stadtverordnete in Witzenhausen

Forum 6: Protest gegen Windkraft – Ärger und Engagement, Prof. Dr. Robert Gaschler, Prof Dr. Helen Landmann, Forschungsverbund Hemm den Wind

Forum 7: Wie wirken sich internationale Konflikte auf Konfliktdynamiken in deutschen Kommunen aus? (vorl. Titel), Mamad Mohamad, Geschäftsführer des Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e.V.

Forum 8: Kommunen im Marathon - Herausforderungen andauernder Konfliktlagen in Chemnitz zwischen 2008 und 2025, Ines Vorsatz, Leiterin des Kommunalen Präventionsrat Chemnitz

12:30     Zusammenbringen der Erkenntnisse & Abschluss

13:15     Ende


Beschreibung der Diskussionsforen


Diskussionsforum 1: Wenn Protest eskaliert: Umgang mit Bedrohungen gegen Mandatsträger*innen

Input: Markus Nierth, ehemaliger Bürgermeister von Tröglitz

Moderation: Gregor Maaß (K3B)

Die Zahl der politisch motivierten Angriffe auf Politiker*innen steigt. Mehr als die Hälfte aller Bürgermeister*innen in Deutschland wurden im Rahmen ihrer Tätigkeit schon einmal beleidigt, beschimpft, bedroht oder sogar tätlich angegriffen. Auch Markus Nierth, ehemaliger parteiloser Bürgermeister von Tröglitz, wurde wegen seines Engagements für Geflüchtete von Rechtsextremist*innen bedroht. Als die Anfeindungen gegen ihn und seine Familie eskalieren, entschließt er sich zum Rücktritt.

Im Diskussionsforum „Wenn Protest eskaliert: Umgang mit Bedrohungen gegen Mandatsträger*innen“ teilt Markus Nierth seine Erfahrungen und benennt Ursachen für die politische Radikalisierung von Bürger*innen. Gemeinsam werden Gründe für die Eskalation von Konflikt, sowie Handlungsoptionen zum Umgang mit Bedrohungen gegen kommunale Mandatsträger*innen diskutiert.

Diskussionsforum 2: Lokale Proteste und ihre Anbindungen an emotionale Dispositionen der Stadtgesellschaft

Input: Maria Budnik, Christoph Hedtke, Katrin Großmann und Alexander Krahmer, Fachhochschule Erfurt

Moderation: Marina Lorenz (K3B)

Vor dem Hintergrund einer wachsenden Aufmerksamkeit für das Lokale, untersucht das Forschungsteam der Fachhochschule Erfurt in seinem Beitrag am Beispiel einer ostdeutschen Kleinstadt das Lokal-Werden von Protesten als Manifestation gesellschaftlicher Konflikte. Im Diskussionsforum wird gezeigt, wie vielfältige Krisenerfahrungen die Stadtgesellschaft so beeinflussen, dass Protestakteure die so entstandenen emotionalen Dispositionen aufgreifen und für ihre Mobilisierung nutzen können. Indem sie den Protest an bereits vorhandene Gefühle der Vernachlässigung und Verletzung durch Peripherisierungsprozesse anbinden, verknüpfen sie überlokale Themen mit lokalen Erfahrungen und übertragen so den Konflikt auf die lokale Ebene. Im Diskussionsforum „Lokale Proteste und ihre Anbindung an emotionale Dispositionen der Stadtgesellschaft“ werden diese Forschungsbefunde vorgestellt und mit den Teilnehmenden erörtert.

Diskussionsforum 3: Gute Bauern, böse Bauern? Polarisierung und Protest in der Landwirtschaft

Input: Julia Bar-Tal, Geschäftsführerin Landesverband Nordost der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL)

Moderation: Karol Sabo (K3B)

Das Protestjahr 2024 begann mit großangelegten Traktor-Demonstrationen, bei denen Bäuerinnen und Bauern gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung anlässlich der geplanten Streichung der Agrardieselsubventionen protestierten. Der Verkehr in vielen Städten Deutschlands wurde dadurch lahmgelegt. Städter*innen zeigten oft wenig Verständnis für die Anliegen der Bäuer*innen und Bauern. Doch es geht um mehr als nur Agrardiesel: „Die Ursachen der Proteste liegen viel tiefer“, betont Julia Bar-Tal, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL). Im Diskussionsforum „Gute Bauern, böse Bauern? Polarisierung und Protest“ beschreibt sie die Konfliktdynamiken, die sich aus unterschiedlichen Forderungen der Bauernverbände ergeben. Im anschließenden Austausch wird gemeinsam mit den Teilnehmenden analysiert, welche Rolle Konfliktbearbeitung beim Umgang mit den Protesten und mit der zunehmenden Polarisierung einnehmen kann.

Diskussionsforum 4: Jenseits der Metropolen: Queerer Protest im ländlichen Raum

Input: Eric Stehr, Stadtrat in Weißenfels und Organisator des ersten CSD im Burgenlandkreis

Moderation: Damaris Deinert (K3B)

Das Gendersternchen ist zum Kampfbegriff geworden. Wichtige Anliegen der LGBTQI+ Community werden in deutschlandweiten Debatten kontrovers diskutiert und teilweise verunglimpft. Grade im ländlichen Raum ist die gesellschaftliche Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt noch nicht selbstverständlich.

Eric Stehr, Stadtrat in Weißenfels, hat 2023 den ersten Christopher Street Day (CSD) im Burgenlandkreis organisiert. Im Diskussionsforum „Jenseits der Metropolen: Queerer Protest im ländlichen Raum“ wird die Bedeutung von queerer Sichtbarkeit in der Kommune, der Einfluss gesamtgesellschaftlicher Debatten auf lokale Konflikte, sowie kommunale Herausforderungen für die queere Community im Burgenlandkreis diskutiert.

Diskussionsforum 5: Zum Verhältnis von sozialen Bewegungen und Kommunalpolitik: Zwischen Konflikt und Kooperation

Input: Anne Klingenmeier, ehemalige Stadtverordnete in Witzenhausen und in verschiedenen sozialen Bewegungen aktiv

Moderation: Robin Tapkan (K3B)

Geplante Infrastrukturprojekte sind häufig Gegenstand von Kontroversen, gegen die sich Widerstand vor Ort richtet. Ein derzeit prominentes Beispiel ist das brandenburgischen Grünheide, wo der US-amerikanische Elektroautohersteller Tesla eine Fabrikerweiterung plant, die von den Bürger*innen abgelehnt wird.

Im Diskussionsforum „Zum Verhältnis von sozialen Bewegungen und Kommunalpolitik: Zwischen Konflikt und Kooperation“ mit Anne Klingenmeier geht es um die Wechselwirkung(en) zwischen Bürger*inneninitiativen und kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen. Wie kann die Beziehung zwischen sozialen Bewegungen und Entscheidungsträger*innen so gestaltet werden, dass die Interessen der Menschen vor Ort gemeinsam vertreten werden? Zusammen mit den Teilnehmenden werden Chancen und Konfliktpotenziale identifiziert und diskutiert.

Diskussionsforum 6: Protest gegen Windkraft – Ärger und Engagement

Input: Prof. Dr. Robert Gaschler, Prof. Dr. Helen Landmann (Team Psychologie des Forschungsverbundes hemm-den-Wind)

Moderation: Konstantin Leimig (K3B)

Windenergie kann einen größeren und gerechteren Beitrag zur Energieversorgung leisten. Bürgerbegehren und -proteste gegen Windenergie können den weiteren Ausbau hemmen oder auch die Konditionen verbessern. Im Beitrag wird Forschung zu der Frage zusammengefasst, wie Protest zu Stande kommt: Auf zwei Wegen kann Emotion Protest gegen Windkraft fördern. Einerseits durch Ärger, der davon ausgelöst wird, dass der Windenergieausbau als ungerecht oder unfair empfunden wird. Ungerechtigkeit betrifft sowohl Verfahrensaspekte als auch die (regionale) Verteilung von Kosten und Nutzen. Andererseits kann neben Ärger aber auch das positive Erleben eine Rolle spielen, beim Protest gemeinsam etwas erreichen zu können.

Diskussionsforum 7: Wie wirken sich internationale Konflikte auf Protest- und Konfliktdynamiken in deutschen Kommunen aus? (vorl. Titel)

Input: Mamad Mohamad, Geschäftsführer des Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e.V.

Moderation: Mirjam Walter (K3B)

Internationale Konflikte, wie z.B. der Krieg in Israel und Palästina, werden auch in Kommunen in Deutschland als Konfliktlinien sichtbar. Die nicht-Bearbeitung dieser Konflikte kann sowohl innerhalb verschiedener migrantischer Communities, als auch zwischen Migrant*innen und der deutschen Mehrheitsgesellschaft, zu Entfremdungsgefühlen, gegenseitigem Unverständnis und somit schwieriger Zusammenarbeit führen. Im Diskussionsforum analysiert Mamad Mohamad, Geschäftsführer des Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt e.V., warum Versöhnungsarbeit in und mit migrantischen Communities so wichtig ist und wie diese gelingen kann. Gemeinsam wird diskutiert, was es braucht, um das Zusammenleben in der Kommune in gleichberechtigter Teilhabe zu gestalten.

Diskussionsforum 8: Kommunen im Marathon - Herausforderungen andauernder Konfliktlagen in Chemnitz zwischen 2008 und 2025

Input: Ines Vorsatz, Kommunaler Präventionsrat Chemnitz

Moderation: Anne Dirnstorfer (K3B)

Kommunen sind die Orte, an denen verschiedene Perspektiven, Ansprüche, Bedürfnisse und politische Vielfalt unmittelbar aufeinandertreffen. Dieses Aufeinandertreffen ist in Chemnitz seit Jahren durch Proteste verschiedenster Gruppierungen sichtbar. Im Input des Diskussionsforum "Kommunen im Marathon - Herausforderungen andauernder Konfliktlagen in Chemnitz zwischen 2008 und 2025" wird diesen Dynamiken insbesondere aus der Sicht der Verwaltung nachgegangen und an Hand von Praxisbeispielen erläutert, wie in Chemnitz mit Protestbewegungen umgegangen wird.


Förderhinweis:

Diese Veranstaltung wird ermöglicht durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union, das Bundesministerium des Inneren und für Heimat, dem Landesprogramm #wirsinddasLand Sachsen-Anhalt, dem Bündnis für Brandenburg, dem Landesprogramm Weltoffenes Sachsen, dem Landespräventionsrat Thüringen, sowie dem Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. 

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